Studie der Ruder-Frauen in Berlin

Freitag, 27. Januar 2023


Wie Sportlerinnen ihren Zyklus für ein effektives Training nutzen können

Die Berliner Ruderinnen nah­men an einer Studie teil, die vom OSP-Berlin, von Frau Prof. Dr. Kirsten Legerlotz (Humboldt-Universität zu Berlin) und vom Deutschen Ruderverband durch­ge­führt wurde.

Zielstellung des Projektes ist es anhand eines eng­ma­schi­gen Monitorings zu iden­ti­fi­zie­ren, bei wel­chen Ruderinnen eine erhöh­te Leistungsvariabilität ent­lang des Menstruationszykluses vor­liegt und somit die Berücksichtigung des Menstruationszyklus eine bis­her ver­nach­läs­sig­te Leistungsreserve dar­stel­len könn­te. Auf Basis des Monitorings sol­len spe­zi­fi­sche Handlungsempfehlungen hin­sicht­lich der indi­vi­du­el­len Trainingssteuerung erar­bei­tet werden.

"Wir unter­su­chen bei den Athletinnen, wie sich hor­mo­nel­le Schwankungen - wie sie durch den Menstruationszyklus, aber auch in Abhängigkeit von hor­mo­nel­ler Verhütung auf­tre­ten - auf die Leistungsfähigkeit und die Trainierbarkeit aus­wir­ken", erklärt Kirsten Legerlotz vom Institut für Sportwissenschaft an der Humboldt-Universität, die die drei­mo­na­ti­ge Studie lei­tet. Begleiterscheinungen des Menstruationszyklus wie zum Beispiel Bauchkrämpfe oder Stimmungsschwankungen hat fast jede Frau schon erlebt. Die Symptome kön­nen viel­fäl­tig und sogar so stark aus­ge­prägt sein, dass Sport trei­ben oder arbei­ten gehen gar nicht mög­lich sind. Laut einer SWR-Umfrage unter 700 Spitzensportlerinnen wird jede Zweite durch die Menstruation in ihrer Leistungsfähigkeit beein­flusst. "Daher besteht von Seiten der Athletinnen auch ein gro­ßes Interesse dar­an, das im Trainingsprozess bes­ser zu berück­sich­ti­gen", erklärt Legerlotz.

Auch Alyssa Meyer war sofort begeis­tert von der Studie. "Ich dach­te, ich kann end­lich mal mei­nen Körper bes­ser ken­nen­ler­nen", berich­tet die Ruderin. Bisher ach­ten weder die Sportlerinnen noch die Trainer auf die Vereinbarkeit von Zyklus und Training. Eine inter­es­san­te Beobachtung hat die 27-Jährige inner­halb ihrer Mannschaft aber gemacht: Die Zyklen der Frauen pass­ten sich an, so dass "eigent­lich fast alle zur glei­chen Zeit ihre Tage haben."

Einige Athletinnen, dar­un­ter auch Alyssa Meyer, spü­ren die Auswirkungen der Menstruation nur schwach. Andere wie­der­um lei­den unter star­ken Symptomen - und das erschwert beson­ders bei einem Mannschaftssport die gemein­sa­men Einheiten. "Wir fah­ren im Achter, da sit­zen dann acht Frauen drin plus die Steuerfrau. Wenn dann drei oder vier Frauen sol­che Bauchkrämpfe haben, dann muss der gan­ze Achter irgend­wann anle­gen. Das ist dann nicht so gut für das Training", berich­tet die 27-Jährige und ergänzt: "Dann gibt es wel­che, die auch Tabletten schlu­cken muss­ten wegen der Schmerzen oder das Training nicht absol­vie­ren konnten."

Mit der Pille die Periode verschieben

Andere Athletinnen ent­schei­den sich für die Einnahme der Pille - nicht nur als Verhütungsmittel. "Ich habe jetzt immer die Pille genom­men und habe es sehr kon­trol­lie­ren kön­nen, auch für Wettkämpfe", sagt Mannschaftskameradin Lisa Gutfleisch. Die 23-Jährige habe die Pille auch schon mal eine Woche län­ger genom­men, um das Einsetzen ihrer Periode vor einem Wettkampf zu ver­zö­gern. Nun hat sie sie abge­setzt und ist gespannt, "wie viel sie an Schmerzen weg­ge­hal­ten hat oder an Leistungsfähigkeit".

Ihr Wohlbefinden doku­men­tie­ren die ins­ge­samt 14 Teilnehmerinnen täg­lich in einem Fragebogen, in dem sie unter ande­rem nach einem Aktivierungsmangel oder emo­tio­na­ler Unausgeglichenheit befragt wer­den. "Das sind alles Dinge, von denen man weiß, dass sie sich inner­halb eines Zyklus ändern kön­nen", erklärt Legerlotz. "Genauso wie Risikobereitschaft und Trainingsmotivation. Die bei­den sind um den Eisprung her­um am größten."

Neben der Bioimpedanzmessung, bei der vor allem die Wassereinlagerungen, aus denen zum Beispiel ein Brustspannen resul­tie­ren kann, aus­ge­wer­tet wer­den, soll­te jede Athletin auch zwei Mal wöchent­lich einen Kraft- und einen Ausdauertest absol­vie­ren. Das ins­ge­samt zehn­köp­fi­ge Team der Studie ist jeden Tag mit zwei bis drei Mitarbeitern vor Ort, um alle Sportlerinnen zu betreuen.

Mehr Verletzungen in der ersten Zyklushälfte

Ein enor­mer Aufwand, der sich am Ende der Studie aber aus­zah­len soll. "Für die ein­zel­ne Athletin kön­nen wir dann gucken, wie Leistungsschwankungen auf­tre­ten und ob man die Trainingseinheiten dar­an anpas­sen kann", so die Studienleiterin. Besonders bei Athletinnen, die nicht hor­mo­nell ver­hü­ten, sei­en Schwerpunkte inner­halb des Zyklus sinnvoll.

Dabei unter­schei­det man in zwei Phasen: eine vor und eine nach dem Eisprung. In der ers­ten Hälfte, das haben die - wenn auch noch über­sicht­li­chen - bis­he­ri­gen Studienergebnisse gezeigt, wür­den bei­spiels­wei­se mehr Verletzungen auf­tre­ten. "Man ist zunächst davon aus­ge­gan­gen, dass es eine direk­te Folge von höhe­rer Gelenksbeweglichkeit oder wei­cher wer­den­dem Bindegewebe ist. Inzwischen hat sich aber her­aus­ge­stellt, dass es da kei­nen kau­sa­len Zusammenhang gibt", so Legerlotz. "Meine per­sön­li­che Vermutung ist, dass die­se erhöh­te Verletzungsanfälligkeit auch Folge einer Verhaltensänderung sein kann, weil Frauen um die Ovulation her­um ten­den­zi­ell risi­ko­be­rei­ter sind."

Sportliche Herausforderungen rund um den Eisprung angehen

Eine Begleiterscheinung, die Athletinnen durch­aus auch posi­tiv für das eige­ne Training nut­zen kön­nen. "Alles, was beson­ders schwie­rig oder her­aus­for­dernd ist, könn­te man ten­den­zi­ell pla­nen, eher in die­ser Phase durch­zu­füh­ren", rät die Sportwissenschaftlerin. Auch der Muskelaufbau sei in der ers­ten Zyklushälfte bes­ser, wobei das von Athletin zu Athletin unter­schied­lich sein kön­ne. Bei der Auswertung der Daten ste­hen daher auch nicht die Mittelwerte, son­dern die indi­vi­du­el­len Ergebnisse im Fokus.

Nach etwas mehr als einem Monat kann Professor Legerlotz aber noch kei­ne Erkenntnisse aus den Daten für die ein­zel­nen Athletinnen ablei­ten. Mindestens drei Zyklen braucht es dafür, denn "Schwankungen, die inner­halb eines Monats auf­tre­ten, kön­nen auch durch ande­re Variablen beein­flusst sein, zum Beispiel, wenn man schlecht geschla­fen hat oder eine har­te Trainingseinheit absol­viert hat."

Auch Trainer wollen den Zyklus berücksichtigen

Ein Effekt lässt sich trotz­dem schon erken­nen. Denn: Eine Studie wie die­se sorgt dafür, dass ein so sen­si­bles Thema wie der weib­li­che Zyklus mehr Aufmerksamkeit bekommt. Zwar neh­men die Trainer schon jetzt Rücksicht dar­auf, wenn die Ruderinnen wegen zyklus­be­ding­ter Beschwerden nicht wie geplant trai­nie­ren kön­nen, viel gespro­chen wur­de über das inti­me Thema aber nicht.

Eine Frage, berich­tet Studienleiterin Kirsten Legerlotz, stel­len die Athletinnen ihr daher auch beson­ders oft: Wie sol­len die Trainer das nach der Studie umset­zen? "Meine Antwort dar­auf ist: Wir spre­chen dann dar­über. Man kann auf jeden Fall eine Lösung fin­den und die Tatsache, dass wir jetzt die­se Studie machen und die Trainer dafür auch ein Zeitfenster im Trainingsablauf ein­ge­räumt haben, zeigt ja auch, dass von die­ser Seite der Wunsch da ist, das zu berücksichtigen."

Quelle: DRV & www.sportschau.de