Martin Häner ist Dr. Hockey

Dienstag, 22. Mai 2018


Mit viel Disziplin, Fleiß und Ehrgeiz hat Martin Häner, Kapitän der deut­schen Hockey-Nationalmannschaft, par­al­lel zu sei­ner sport­li­chen Karriere den Doktorgrad in der Medizin erlangt. Jetzt setzt er als Assistenzarzt zumin­dest bis zur Weltmeisterschaft im Dezember sei­ne Duale Karriere fort.

Eigentlich hät­te Martin Häner im ver­gan­ge­nen Winter mal eine Pause machen kön­nen. Keine hun­der­te von E-Mails mehr an das Lehrsekretariat der Berliner Humboldt-Universität schi­cken, um Kurse zu ver­schie­ben, kei­nen Semesterplan aus­klü­geln, um Sport und Ausbildung unter einen Hut zu brin­gen. Denn im November hat­te der Olympiasieger sein Medizinstudium nach sie­ben­ein­halb Jahren abge­schlos­sen. "Du hast doch jetzt Zeit“, hät­te er oft zu hören bekom­men. Doch auch nach dem Studium gab es Formulare aus­zu­fül­len, Ämtergänge zu erle­di­gen für sei­nen ers­ten Job als Assistenzarzt in der Orthopädie & Unfallchirurgie im Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin-Wilmersdorf, den er im April antrat.

Erstmals Zeit für Hallen-Weltmeisterschaft

Und dann ist da natür­lich immer noch Hockey. Das ers­te Mal seit vie­len Jahren nahm Martin Häner an der Hallensaison teil. Jahrelang hat­te er für Hockey unterm Dach kei­ne Zeit. Obwohl es ihm die Indoor-Variante sei­nes Sports gut gefällt: "Da ist die Stimmung bes­ser, und es pas­siert viel mehr", sagt er. Doch im Februar stan­den immer Klausuren an, und ohne­hin war der Winter die Phase, in der er Kurse aus dem Sommer nach­ho­len muss­te. Diesen Winter aber spiel­te er erst in der Bundesliga mit sei­nem Berliner HC und anschlie­ßend bei der Hallen-Weltmeisterschaft in Berlin, wo die „Honamas“ in einem dra­ma­ti­schen Finale im Penaltyschießen gegen Österreich ver­lo­ren. „Wir haben nicht unser bes­tes Spiel gemacht und im Finale muss man das bes­te Spiel machen. Die Niederlage haben wir uns sel­ber zuzu­schrei­ben“, kom­men­tiert Kapitän Häner das Abschneiden.

Studium statt Playstation

Das Thema sei­ner Promotion, die er sum­ma cum lau­de abge­schlos­sen hat, klingt ein­fach zu schön, um es hier weg­zu­las­sen: "Revisionskonstruktionen des vor­de­ren Kreuzbandes: Autologe ipsi­la­te­ra­le Quadriceps- vs. kon­tra­la­te­ra­le Semitendinosus-Gracilis-Sehne". Zugrunde liegt eine kli­ni­sche Studie am Martin-Luther-Krankenhaus.

All die Jahre ist sein Medizinstudium mit auf Hockey-Reisen gegan­gen, hat er gebüf­felt, um dran­zu­blei­ben. Auch vie­le Seiten sei­ner Doktorarbeit hat er geschrie­ben, wenn mal ein paar Stunden frei waren. Playstation gab's nicht.

Häner ist ein sehr flei­ßi­ger Mensch. Seine Zielstrebigkeit ist bei­spiel­haft, sein Motto: "Wenn ich etwas mache, dann rich­tig." Nach dem Abitur spiel­te er eine Saison in England – weil er die Sprache per­fekt ler­nen wollte.

Als er in Berlin kei­nen Studienplatz bekam mit sei­nem Abi-Durchschnitt von 1,6, begann er eben in Würzburg. An den Wochenenden trat er den­noch für den BHC an, Angebote west­deut­scher Klubs lehn­te er ab, trotz finan­zi­el­ler Anreize. Nach einem Semester war der Stress vor­bei, und er sie­del­te zurück nach Berlin. Seinen Verein zu ver­las­sen, kam nie in Frage. Es ruhi­ger ange­hen zu las­sen, auch nicht.

Über den sport­be­geis­ter­ten Mentor zum Doktorvater

"Ich hab nie von ihm gehört: Ich schaff das nicht. Martin ist eine Sensation", sagt Andree Ellermann. Vier Jahre lang war der Direktor der Arcus Klinik Pforzheim Häners Mentor, ver­mit­telt über die Deutsche Sporthilfe und ihrem Partner Werte-Stiftung, die in ihrem Mentoren-Programm Top-Athleten mit beruf­li­chen Sparringspartnern zusam­men­bringt, um von deren Erfahrung und Netzwerk zu profitieren.

Auch nach dem Studium besteht der Kontakt wei­ter – sowohl beruf­lich als auch pri­vat. Zuletzt tra­fen sie sich bei der Hallenhockey-Weltmeisterschaft im Februar, wo Ellermann Halbfinale aund Finale verfolgte.

Andree Ellermann, selbst gro­ßer Sportfan und Kurator der Deutschen Sporthilfe, half etwa bei der Suche nach einem Praktikumsplatz in einer Schweizer Spezialklinik, über­zeug­te den Berliner Kniespezialisten Wolf Petersen, einen sport­be­geis­ter­ten Professor am Martin-Luther-Krankenhaus, Häners Doktorvater zu sein. "Und manch­mal habe ich ein­fach mei­nen Senf dazu­ge­ge­ben, wenn was anlag. Aber Martin ist als Sportler wie in der Ausbildung herausragend."

Hockeyspieler auf der Titelseite der FAZ

Der Antrieb des jun­gen Mannes? Ellermann nennt es so: "Leidenschaft!" Als ers­ter wur­de der Berliner 2013 von Deutsche Sporthilfe und Deutsche Bank zum Sport-Stipendiat des Jahres aus­ge­zeich­net, erhielt dafür 18 Monate lang 600 Euro monat­lich – zusätz­lich zur nor­ma­len Förderung durch die Deutsche Sporthilfe. "Das war eine gro­ße Hilfe", sagt Häner, "aber fast noch mehr wert war für mich die Anerkennung." Reichtümer sind mit sei­nem Sport sowie­so nicht zu ver­die­nen. Aber wann lan­det ein Hockeyspieler wie er schon mal auf der Titelseite der "FAZ"?

Sich mit den Besten mes­sen ist sein Antrieb. Das nächs­te sport­li­che Ziel ist die Feldhockey-Weltmeisterschaft im Dezember 2018 in Indien, die­ser Titel fehlt in sei­ner ansons­ten kom­plet­ten Sammlung. Die Deutsche Sporthilfe beglei­tet ihn dabei mit der Top-Team Förderung und der Mercedes-Benz Elite-Förderung.

Für die Zeit danach will Häner sich (noch) nicht fest­le­gen: Die nächs­ten Monate wer­den zei­gen, wie sich Arbeits- und Trainingsbelastung in Einklang brin­gen las­sen. Zumal die Beanspruchung im Krankenhaus eine neue ist: „Wenn ich das Studium hab schlei­fen las­sen, gab es eine schlech­te Note. Aber jetzt geht es um Menschen und deren Gesundheit.“

Nächste Herausforderung in Sachen Zeitmanagement

Bislang beschrän­ken sich sei­ne Arbeitszeiten auf den Frühdienst. Das früh­mor­gend­li­che Athletiktraining ver­schiebt sich dadurch auf das Zeitfenster zwi­schen Dienstende und Trainingsbeginn beim BHC. Dort nimmt er teil­wei­se bis 22 Uhr am Trainingsbetrieb teil und kann am Wochenende in der Bundesliga spie­len. Dennoch: Viel Freizeit neben Job und Hockey bleibt nicht. Die nächs­te Herausforderung in Sachen Zeitmanagement sieht Martin Häner bereits auf sich zukom­men. „Nach der Einarbeitung im Krankenhaus kom­men im Laufe des Sommers auch Nacht- und Wochenenddienste hinzu.“

Glücklicherweise unter­stützt sein Doktorvater und jet­zi­ger Chef Prof. Dr. Wolf Petersen die sport­li­chen Ambitionen des jun­gen Mediziners. Häner ist für Lehrgänge und Spiele der Nationalmannschaft frei­ge­stellt. Die Deutsche Sporthilfe gleicht die Fehlzeiten durch die Zahlung einer Verdienstausfallerstattung aus. Dass sei­ne Abwesenheiten von sei­nen Kollegen auf­ge­fan­gen wer­den müs­sen, des­sen ist sich der Hockey-Kapitän bewusst. „Ich bin sehr dank­bar, dass ich dort auf Verständnis und Akzeptanz tref­fe.“ Ohne das gin­ge es wohl auch nicht.

Quelle: Dietmar Wenck, Berliner Morgenpost; ergänzt von Deutsche Sporthilfe)

Foto: Dirk Markgraf