Johanna Schikora mit Silbernem Lorbeerblatt ausgezeichnet

Montag, 19. September 2022


Johanna Schikora (l.) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesministerin Nancy Faeser. Foto: Denis Foemer

Hohe Ehre für Flossenschwimmerin Johanna Schikora: Die 20-jährige Berlinerin vom TC Fez erhielt am 9. September 2022 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Foto) das Silberne Lorbeerblatt. Mit diesem Preis werden Sportlerinnen und Sportler geehrt, die bei den Deaflympics und World Games erfolgreich waren. Johanna gewann bei den World Games 2022 über 400 Meter Gold in 3:14,22 Minuten und kurz danach bei der Finswimming-WM in Kolumbien Bronze über dieselbe Distanz. Über 1.500 Meter wurde sie mit einem 12-Sekunden-Vorsprung Erste und erreichte Platz 2 über 800 Meter. Zudem belegte sie Platz 3 mit der 4x200m-Staffel. Wir sprachen mit der jungen Sportlerin über ihren erfolgreichen Sommer.

Johanna, Gratulation zur Auszeichnung! Wie hast Du Deine Titel gefeiert?

Ich habe zuhause auf die Auszeichung angestoßen, war mit meiner Familie im Urlaub und hab´s mir richtig gut gehen lassen. Ins Training bin ich Anfang September wieder eingestiegen.

Die World Games-Medaille ist die höchste, die man in Deiner Sportart erreichen kann. Wo hängt sie jetzt?

Foto: Denis Foemer

Noch bei mir im Schlafzimmer, sie kommt aber bald in die Medaillenvitrine bei meinen Eltern.

Welche Distanz liegt Dir am meisten: die 400, 800 oder 1.500 Meter?

Die 800 und vor allem die 1.500 Meter sind meine Hauptdistanzen, die liebe ich und bin da dieses Jahr auch den Europarekord geschwommen. Die 400 Meter bei den World Games sind mental dagegen schon etwas anderes, im Training und im Wettkampf.

Und was macht am meisten Spaß?

Die 800 Meter. Die bin ich eine Zeit lang täglich geschwommen, was mir die nötige Sicherheit gibt. Die 1.500 Meter sind mir schon fast wieder zu lang.

Was bedeutet Dir Dein Trainer Volker Kucher?

Wir haben ein sehr enges Sportler-Trainer-Verhältnis und er hat einen hohen Anteil an meinen Erfolgen. Volker macht das ja ehrenamtlich, hängt sich aber voll rein und ist auch immer erreichbar. Keine Ahnung, wie er das macht.

Schwimmhalle oder Freiwasser – was ziehst Du vor?

Ich schwimme lieber in der Halle, da draußen die Bedingungen andere sind und ich die Zeiten in der Halle besser sehen kann.

Was ist beim Flossenschwimmen wichtiger: Kraft oder Ausdauer?

Es ist sowohl eine Kraft- als auch eine Ausdauersportart, was ich sehr schätze, weil es abwechslungsreich ist. Ich mache viel Kraftsport, meist zu 50 Prozent, der Rest passiert im Wasser. Die Fußgelenkmuskulatur ist bei uns ja wichtiger als beim klassischen Schimmern, da wir die Flosse bewegen müssen und eine feste Muskulatur benötigen, damit die Fußgelenke nicht brechen.

Das Flossenschwimmen ist eine nicht-olympische Sportart. Wie stehst Du dazu?

Man hört ja immer, Olympia sei das Wichtigste für einen Profisportler, und wird dann auch gern danach gefragt. Viele kennen die World Games leider nicht. Sie zu erklären ist oft kompliziert, obwohl die Struktur der World Games ähnlich ist wie bei Olympia. Ich mache so oder so viel für den Sport und versuche, ihn bekannter zu machen.

Du selbst bist erst relativ spät zum Finswimming gekommen.

Ja, mit zwölf habe ich mit dem richtigen Training angefangen und erst mit 13 war mein erster Wettkampf. Ich bin anfangs nicht zum Flossenschwimmen gegangen, um Profi zu werden, hatte eher das Klavierspielen im Visier. Als ich dann aber den Teamzusammenhalt gespürt habe, wollte ich mehr.

Pflegst Du ein Wettkampf-Ritual?

Ja, ich gehe immer mit dem rechten Fuß zuerst rein in die Flosse und setzte Schnorchel und Brille sehr spät auf.

Wie oft trainierst Du?

Ich bin als Sportsoldatin bei der Bundeswehr in der Sportfördergruppe angestellt, das hat natürlich Vorrang. Außer in der Sommerpause trainiere ich zweimal am Tag, samstags einmal.

Du schwimmst mit einer Mono-Flosse, die in der Ukraine maßgeschneidert wurde. Erzähl mal!

Grundsätzlich ist eine Mono-Flosse 80 mal 80 Zentimeter groß und wiegt zwischen vier bis sieben Kilogramm. Kinder starten mit einer Trainingsflosse, die leichter ist. Ich schwimme mit einer Wettkampfflosse mit einem starken Gummi an der Seite, der sie schwerer macht. In jeder Saison benötige ich in der Regel zwei neue Flossen. Ich habe eine Flosse für die kürzere und eine für die längere Strecke, die sind aber beide schnell und kosten einzeln um die 700 Euro, was nicht billig ist. Durch meine Erfolge habe ich aber das Glück, sie mit Rabatt zu bekommen, wie auch bei der neuen Flosse aus der Ukraine.

Apropos Ukraine: Du bist mit deiner ukrainischen Konkurrentin Anastasiia Antoniak befreundet und hast sie bei Dir aufgenommen, als sie hilfesuchend nach Deutschland kam. Lebt sie noch bei Dir?

Inzwischen wohnt Anastasiia im Internat des OSP, denn es war schon sehr eng in meiner 1,5-Zimmer-Wohnung. Ihre Mutter und Schwester wohnten zuvor bei meinen Eltern, jetzt sind sie mit im Internat untergebracht, bis sie eine Wohnung gefunden haben. Natürlich war es okay, dass Anastasiia anfangs bei mir wohnt, wir kannten uns auch schon von Wettkämpfen. Es war dennoch eine Umstellung für mich, denn ich hatte bis dahin allein für die World Games trainiert, für die ich mich als Einzige qualifiziert hatte. Und plötzlich war da meine größte Konkurrentin neben mir zuhause und im Becken! Es hat aber den Vorteil, dass man sich gegenseitig pusht und mehr an seine Grenzen geht als sonst. Klar sind wir Konkurrentinnen im Schwimmbecken, aber eben auch Freundinnen. Nach dem 400 Meter-Rennen der World Games, bei dem ich Erste und Anastasiia Dritte wurde, haben wir uns gleich umarmt und nicht mehr losgelassen vor Freude. Sie war auch nicht eine Sekunde enttäuscht, dass ich schneller war als sie. Bei der WM war sie dann schneller und so passte es für uns beide.

Ihr habt auch schon eure Badekappen getauscht, richtig?

Genau. Das ist so ein Ritual von uns Schwimmerinnen, so viele Badekappen wie möglich zu sammeln. 20 habe ich bestimmt schon.

Du studierst nebenbei an der Humboldt-Universität Psychologie. Bringt Dir das Studium auch was für den Sport, zum Beispiel Deine mentale Stärke betreffend?

Ich habe auf jeden Fall schon was aus der Allgemeinpsychologie im Sport angewendet, aber deswegen studiere ich nicht. Ich beginne jetzt im Oktober mein drittes Semester und genieße es einfach sehr, neben dem Sport noch andere Interessen zu verfolgen.

Hast Du schon eine Idee, was nach Deiner Sportkarriere kommen könnte?

Ich denke, ich habe viele Optionen. Die Forschung in der Psychologie interessiert mich sehr. Aber auch ein Job im Sport wäre gut. Das Flossenschwimmen werde ich auf alle Fälle nie ganz aufgeben, dafür ist es mir zu wichtig.

Was steht als nächstes sportliches Ziel auf Deiner Agenda?

In der nächsten Saison findet in Italien die EM statt. Längerfristig sind die World Games in China 2025 mein Ziel. Bis dahin möchte ich mich aber etwas mehr auf mein Studium konzentrieren.

Letzte Frage: Was hältst Du von dem Meerjungfrauen-Hype, der vor allem junge Mädchen betrifft?

Ich bekomme oft zu hören, mein Sport wäre das Meerjungfrauenschwimmen, das ist allerdings etwas ganz anderes. Man schminkt sich vorher und hat eine ganz andere Flosse. Ich würde es aber mal probieren, keine Frage, ich bin da offen. Vielleicht wäre das auch eine gute Idee, um junge Mädchen an meine Sportart heranzuführen.

 

Interview: Cäcilia Fischer