Blutfluss-Restriktions-Training | Eine ergänzende Methode für Leistungsoptimierung und Rehabilitation

5. Juni 2025 | Allgemein

Allgemeines zum BFR-Training

Das Blutfluss-Restriktions- (BFR) Training, auch Okklusionstraining genannt, ist eine Methode, um Anpassungen von Bindegewebe und Muskulatur (z. B. Muskelwachstum und Kraftzuwachs) sowie der Ausdauerleistungsfähigkeit mit deutlich geringeren mechanischen Trainingslasten zu fördern1,2. Durch das gezielte Abbinden von Extremitäten mit aufblasbaren Manschetten oder Bändern am proximalen Ende der arbeitenden Muskulatur (ähnlich einer Blutdruckmessung) wird der venöse Rückfluss eingeschränkt, während die arterielle Zufuhr zwar reduziert, aber weitgehend erhalten bleibtKlicken Sie hier, um Text einzugeben.. Dies führt zu einer Sauerstoffreduktion (Hypoxie) in der Muskulatur. Dadurch kommt es wiederum zu einer erhöhten metabolischen Belastung und einer verstärkten Rekrutierung schneller Muskelfasern1,3,4

 Im Ergebnis lassen sich so trotz niedriger Trainingsintensitäten (20 – 40 % des Ein-Wiederholungs-Maximums [EWM]) ähnliche Anpassungen wie beim konventionellen Krafttraining mit höheren Lasten (70 – 80 % des EWN bei traditionellem Krafttraining) erreichen1,3. Verbesserung von Kraft- und Ausdauerleistungsfähigkeit1,3, Muskelhypertrophie1,3,5 sowie positive Wirkungen auf den Knochenmetabolismus4 wurden sowohl bei jungen Erwachsenen und Senioren als auch in der muskuloskeletalen Rehabilitation6 (z. B. nach einer Kreuzbandplastik) und bei verschiedenen Krankheitsbildern7 nachgewiesen.

Abbildung 1 Physiologische Effekte von BFR Training

Risiko und Sicherheit

Der generelle Ansatz des BFR Trainings, das bewusste „Abbinden“ der Extremitäten über mehrere Minuten, weckt vermeintlich Sorgen bzgl. Thrombosebildung. Daher wird auch grundsätzlich empfohlen vor der ersten Anwendung oder nach längerer Pause (ca. sechs Monate) entsprechende Fragebögen zur Risikoeinschätzung auszufüllen.

 Auf Basis der aktuellen Literatur kann unter Berücksichtigung der individuellen Anamnese aber nicht von einem signifikanten Risiko dieses Trainingsmittels ausgegangen werden. Ein Bericht aus dem Jahr 2006 über BFR-Training bei 12.642 Personen (ca. 32.000 Trainingseinheiten) zeigt, dass die häufigsten Nebenwirkungen leichte Hämatome (13,1 %) und vorübergehende Taubheit (1,3 %) waren8. Schwerwiegende Komplikationen wie venöse Thrombosen (0,055 %), Lungenembolien (0,008 %) oder Rhabdomyolyse (0,008 %) traten hingegen extrem selten auf8. Eine aktuellere Umfrage fand sogar gar keine negativen Begleiterscheinungen wie Thrombose oder Rhabdomyolyse9. Ein erhöhtes Risiko für Thrombosen stellt BFR-Training im Vergleich zu traditionellem Krafttraining bei ansonsten gesunden Menschen ohne spezifische Vorerkrankung nach heutigem Wissen also nicht dar10,11.Und auch das Auftreten muskulärer Schädigungen nach BFR-Training ist nicht oder nur sehr geringfügig präsent9. Zudem sind negative Auswirkungen auf die Nervenleitgeschwindigkeit bei gesunden Menschen nicht bekannt11.

Verbreitung und praktische Anwendung

BFR Training wurde im deutschsprachigen Raum erst später populär. Während es unter dem Namen KAATSU bereits in den 1960er Jahren in Japan entwickelt wurde12, begann die Verbreitung von BFR-Training im hierzulande  erst ab den 2010er Jahren. Erste wissenschaftliche Studien und Berichte tauchen ab ca. 2012 auf12. Die kommerzielle Verbreitung, insbesondere durch Fitnessstudios, Physiotherapiepraxen und spezialisierte Trainer, nahm etwa ab 2018 deutlich zu. Bereits 2006 nutzten über 10.000 Personen in Japan BFR-Training. Studien zeigen zudem, dass zahlreiche Einrichtungen und Fachkräfte wie Trainer und Therapeuten BFR einsetzen. Auch bekannte Profisportler wie NBA-Star Dwight Howard trainieren damit1,8,13,14.

Studien aus dem Leistungssport zeigten, dass BFR mit moderater Intensität (Rudern15, Basketball (Geh-Training)16) die VO2max steigerte, während hochintensives Training mit BFR (Fußball17) keine zusätzlichen Vorteile gebracht hat. Bei Kraftparametern hat BFR Training bei Spitzensportlern geringere Effekte als das klassische dynamische Krafttraining mit hoher Intensität5. BFR Training mit niedriger bis moderater Intensität steigert dennoch signifikant den Muskelquerschnitt sowie Kraft- und Ausdauerparameter (Rugby18, Football19,20, Netzball21) im Vergleich zu einer Kontrollsituation (niedrige Intensität ohne BFR).

Aufgrund der niedrigen Trainingsintensität sowie der vergleichsweise höheren Wirksamkeit und Verträglichkeit gegenüber niedrigintensivem Training ohne Okklusion ist BFR-Training gerade in der muskuloskeletalen Rehabilitation (z. B. bei Patienten mit Muskelschwäche und nach Knieoperationen) von Nutzen6,22. Im Rahmen einer anderen Fragestellung wurden die akuten Effekte von BFR Training auf Parameter der mentalen Verfassung und Stimmung bei Basketballern getestet23. Dabei stellte sich heraus, dass diese Art des Trainings akut die Müdigkeit verstärke und die Stimmung negativ beeinflusste und daher nicht vor einem Wettkampf durchgeführt werden sollte23. In der Summe stellt BFR-Training nach heutigen Erkenntnisstand insbesondere eine effektive Alternative für Personen dar, die kein klassisches Kraft- oder Ausdauertraining durchführen können oder wollen, beispielsweise während eines Taperings, in Wettkampfphasen oder im Rehabilitationsprozess. Es kann sowohl Kraft- als auch Ausdauerzuwächse bewirken, bleibt jedoch in Bezug auf die Maximalkraftentwicklung dem hochintensiven dynamischen Krafttraining unterlegen.

Fazit

BFR Training ist eine Methode, die sowohl im Rehabilitationsbereich als auch im leistungsorientierten Training gezielt eingesetzt werden kann, wenn traditionelle Methoden nicht umsetzbar sind. Durch die Möglichkeit, mit geringen Lasten signifikante Anpassungen zu erreichen, stellt es eine wertvolle Ergänzung für Trainerinnen und Trainer dar, die das Training (oder den Rehabilitations- und Return-to-sports Prozess) ihrer Athleten optimieren möchten. Entsprechend kommt das Konzept auch am OSP Berlin seit 2019 immer wieder, aber eben nur punktuell und gezielt, zum Einsatz – dies ursprünglich mit simplen Bändern, heute mit speziellen, App gesteuerten Manschetten.

Gut zu Wissen

Der Olympiastützpunkt Berlin verfügt über drei App gesteuerte Systeme für Ober- und Unterkörper sowie ein paar traditionelle Manschetten, die bei Interesse und nach Einweisung durch unsere Trainingswissenschaftler ausgeliehen werden können.

Praxisperspektive: BFR-Training im Leistungssport am OSP Berlin

Antonia Ackermann (Perspektivkader Gewichtheben)

  • Dauer der Anwendung: ca. zwei Monate
  • Anwendungsbereich: Rehabilitationstraining
  • Grund der Anwendung: Verletzung am rechten Knie (Einriss der Patellasehne)
  • Trainingsprotokoll: 1x [30 WDH – 30 sek. Pause – 15 WDH – 30 sek. Pause – 15 WDH – 30 sek. Pause – 15 WDH]

Nach einer kurzen Einweisung erwies sich die Anwendung des BFR-Trainings als unkompliziert. Die Intensität wurde schrittweise durch eine progressive Erhöhung der Trainingslast gesteigert – beginnend mit 10 kg und steigernd bis etwa 25 kg.

Ich habe das BFR-Training zweimal pro Woche in meine Trainingsroutine integriert. Eine Einheit absolvierte ich in direktem Anschluss an meine Reha-Maßnahmen, während die zweite Einheit zu einem Zeitpunkt in der Woche stattfand, an dem meine Beine und insbesondere das verletzte Knie weniger beansprucht waren.

Trotz der vergleichsweise geringen Lasten war die Belastung aufgrund der hohen Wiederholungszahlen und der Anwendung der BFR-Manschetten sehr intensiv. Dies führte zu einer deutlichen Ermüdung der Beinmuskulatur, was genau das gewünschte Ziel war. Gleichzeitig stellte ich erfreut fest, dass ich durch die reduzierten Lasten kaum bis keine Schmerzen im Knie verspürte.

Das BFR-Training diente mir als wertvolle Alternative zu regulären Kniebeugen. Während meiner Rehabilitationsphase war es mir lediglich möglich, aus einer erhöhten Position mit reduzierter Bewegungsamplitude zu trainieren und keine vollständigen Hockbewegungen auszuführen. Durch die Anwendung von BFR hatte ich jedoch das Gefühl, meine Beinkraft weitgehend erhalten zu können. Diese subjektive Einschätzung bestätigte sich nach meiner Rückkehr zum normalen Training, als ich vergleichsweise schnell wieder an mein vorheriges Leistungsniveau anknüpfen konnte.

Insgesamt hat sich das BFR-Training für mich als äußerst effektive Methode erwiesen, um den Muskelabbau während der Rehabilitationsphase zu minimieren und meine Rückkehr in das leistungsorientierte Gewichtheben zu erleichtern.

Quellen

1.    Franz A, Bielitzki R, Behrendt T, et al. Positionspapier zum Blood-Flow-Restriction Training: Positionspapier zum Blood-Flow-Restriction Training. Bonn: Bundesinstitut für Sportwissenschaft, 2023.

2.    Patterson SD, Hughes L, Warmington S, et al. Blood Flow Restriction Exercise: Considerations of Methodology, Application, and Safety. Front Physiol 2019; 10: 533.

3.    Loenneke JP, Wilson JM, Marín PJ, et al. Low intensity blood flow restriction training: a meta-analysis. Eur J Appl Physiol 2012; 112: 1849–1859.

4.    Bittar ST, Pfeiffer PS, Santos HH, et al. Effects of blood flow restriction exercises on bone metabolism: a systematic review. Clin Physiol Funct Imaging 2018.

5.    Bjørnsen T, Wernbom M, Kirketeig A, et al. Type 1 Muscle Fiber Hypertrophy after Blood Flow-restricted Training in Powerlifters. Med Sci Sports Exerc 2019; 51: 288–298.

6.    Hughes L, Paton B, Rosenblatt B, et al. Blood flow restriction training in clinical musculoskeletal rehabilitation: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 2017; 51: 1003–1011.

7.    Reina-Ruiz ÁJ, Galán-Mercant A, Molina-Torres G, et al. Effect of Blood Flow Restriction on Functional, Physiological and Structural Variables of Muscle in Patients with Chronic Pathologies: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health 2022; 19.

8.    Nakajima T, Kurano M, Iida H, et al. Use and safety of KAATSU training:Results of a national survey. Int. J. KAATSU Ttaining Res. 2006; 2: 5–13.

9.    Loenneke JP, Thiebaud RS and Abe T. Does blood flow restriction result in skeletal muscle damage? A critical review of available evidence. Scand J Med Sci Sports 2014; 24: e415-422.

10.  Heitkamp HC. Training with blood flow restriction. Mechanisms, gain in strength and safety. J Sports Med Phys Fitness 2015; 55: 446–456.

11.  Loenneke JP, Wilson JM, Wilson GJ, et al. Potential safety issues with blood flow restriction training. Scand J Med Sci Sports 2011; 21: 510–518.

12.  Freitas EDS, Karabulut M and Bemben MG. The Evolution of Blood Flow Restricted Exercise. Front Physiol 2021; 12: 747759.

13.  Patterson SD and Brandner CR. The role of blood flow restriction training for applied practitioners: A questionnaire-based survey. J Sports Sci 2018; 36: 123–130.

14.  Yasuda T, Meguro M, Sato Y, et al. Use and safety of KAATSU training: Results of a national survey in 2016. Int. J. KAATSU Ttaining Res. 2017; 13: 1–9.

15.  Held S, Behringer M and Donath L. Low intensity rowing with blood flow restriction over 5 weeks increases V̇O2max in elite rowers: A randomized controlled trial. J Sci Med Sport 2020; 23: 304–308.

16.  Park S, Kim JK, Choi HM, et al. Increase in maximal oxygen uptake following 2-week walk training with blood flow occlusion in athletes. Eur J Appl Physiol 2010; 109: 591–600.

17.  Amani AR, Sadeghi H and Afsharnezhad T. Interval Training with Blood Flow Restriction on Aerobic Performance among Young Soccer Players at Transition Phase. Monten. J. Sports Sci. Med. 2018; 7.

18.  Takarada Y, Sato Y and Ishii N. Effects of resistance exercise combined with vascular occlusion on muscle function in athletes. Eur J Appl Physiol 2002; 86: 308–314.

19.  Yamanaka T, Farley RS and Caputo JL. Occlusion training increases muscular strength in division IA football players. J Strength Cond Res 2012; 26: 2523–2529.

20.  Luebbers PE, Fry AC, Kriley LM, et al. The effects of a 7-week practical blood flow restriction program on well-trained collegiate athletes. J Strength Cond Res 2014; 28: 2270–2280.

21.  Manimmanakorn A, Hamlin MJ, Ross JJ, et al. Effects of low-load resistance training combined with blood flow restriction or hypoxia on muscle function and performance in netball athletes. J Sci Med Sport 2013; 16: 337–342.

22.  DePhillipo NN, Kennedy MI, Aman ZS, et al. The Role of Blood Flow Restriction Therapy Following Knee Surgery: Expert Opinion. Arthroscopy 2018; 34: 2506–2510. 23.          Silva JCG, Aniceto RR, Oliota-Ribeiro LS, et al. Mood Effects of Blood Flow Restriction Resistance Exercise Among Basketball Players.Percept Mot Skills 2018; 125: 788–801.

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